Mensch, Markus!
Das koptische Christentum ist bei uns eher unbekannt. Kein Wunder, schließlich leben die meisten Gläubigen in Ägypten. Aber dann doch wieder ein Wunder, weil es insgesamt zwischen 5 und 11 Millionen Menschen sind, die diesem Glauben folgen. Das koptische Christentum sieht den Evangelisten Markus als Gründer. Er war erster Bischof von Alexandria und starb auch dort als Märtyrer im ersten Jahrhundert. Es werden viele Heilige verehrt, doch vor allen Dingen die heilige Familie auf ihrer Flucht vor Herodes durch Ägypten. So findet man immer wieder Karten Ägyptens auf denen die wichtigsten Stationen der Reise festgehalten werden. Wie viel man davon glauben mag muss wohl jeder für sich selbst herausfinden.
On the road again
Meine Begegnung mit der koptischen Kirche Anfang des Jahres erstreckt sich im Kern über zwei Tage: Am 19.01. haben wir die koptischen Sehenswürdigkeiten abgeklappert und tags darauf waren Michael und ich in der Wüste des Vadi Natrun unterwegs, um drei koptische Klöster zu besuchen.
Der Tag in Kairo stellt eines der Highlights meiner zehntägigen Reise dar. Zwar sind Kairo und Ägypten an sich sehr spannend und geschichtsträchtig, aber es ist doch noch etwas ganz anderes mit einem gebürtigen Kopten und einem Theologen durch diverse Heiligtümer zu streifen. Geballtes Wissen und diverse Diskussionen rund um das Christum und seine Ausrichtungen versüßten den Tag. Wer sich selbst davon überzeugen will kann im Übrigen seit Kurzem Michael und Sebastian buchen: Iteru.de ist die Adresse. Die beiden versprechen als Spezialreiseveranstalter individuelles Reisen in Ägypten.
Lass Dich nicht hängen
Unsere erste Station war (natürlich) die bekannte hängende Kirche, die ihren Namen der absurden Bauweise auf den Stützpfeilern der Ruine eines römischen Forts verdankt. Durch Löcher im Boden kann man diese exponierte Lage bewundern. Sie ist Mittelpunkt eines Clusters koptischer und christlicher Einrichtungen, unter ihnen die Georgskathedrale des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Alexandria, das seinen Sitz ebenfalls in Kairo hat, und das Koptische Museum — unsere nächste Station. Nach einem ausgedehnten Besuch bei dem es viele alte Steine und sonstige Antiquitäten zu begutachten gab — was sicherlich nicht jedermanns Sache ist, aber durch die fachliche Kompetenz meiner beiden Begleiter mehr als wett gemacht wurde — gingen wir einmal ums Eck, vorbei an diversen Kinkerlitzchen und anderen christlich-ägyptschen Andenkenständen, zur Ben Ezra Synagoge.
Ben Ezras Coup
Die ehemalige christliche Kirche wurde im Jahre 882 zur Synagoge, als die ansässigen Kopten sie an den jüdischen Kaufmann Abraham Ben Ezra aus Jerusalem für 20.000 Dinare verkaufen mussten, um ihre Steuern an den damaligen muslimischen Herrscher zahlen zu können. Berühmt ist das Gebäude allerdings aus anderen Gründen, besser: Fünden. Zum Einen gibt es die Legende, dass die Kirche an dem Ort erbaut wurde an dem man Moses in seinem Bastkorb fand. Zum anderen wurde 1890 bei einer Renovierung der Synagoge die berühmteste Geniza der Welt in einem abgesonderten Hohlraum unter dem Dach, der nur über eine Leiter zu erreichen ist, entdeckt. Es fanden sich 200.000 Schriftstücke ab dem Jahr 800, wie beispielsweise Das Buch der Weisheit aus dem alten Testament in einer hebräischen Fassung.
Kurzer Zwischenstop an einer Kirche direkt am Nil. Hier überquerten schon Maria, Joseph und der Kurze den Fluss — mit Floß.
Stadt aus Dreck
Danach ging es durch die Müllstadt zur Höhlenkirche »St. Samaan«. Die Garbage City ist ein sehr zwiespältiger Ort. Wie schon hier bemerkt würde ich davon absehen es als »Touristenanziehungspunkt« zu bezeichnen. In der Müllstadt leben Copten, die es Ende der 40er Jahre auf der Suche nach Arbeit aus Mittelägypten nach Kairo zog. Als sie merkten, dass sie auch in der großen Stadt keine Anstellung fanden, begannen sie den Müll von den Straßen zu sammeln und zu verwerten. Essensreste und dergleichen werden an die Hausschweine verfüttert (die man wegen des Islams sonst natürlich nirgendwo in Kairo findet) und alles brauchbare an Altwarenhändler verkauft. Sie erreichen dabei Recyclingwerte, die weitaus höher liegen als die unserer Verwertungssysteme.
Alles in Handarbeit.
Einige der Müllsammler sind inzwischen ziemlich vermögend und leben nicht mehr in diesem Viertel. Kleinvieh macht auch Mist? Unser Wagen quetschte sich durch holprige Gassen, der einzigen Zufahrt zur Höhlenkirche. Vor und hinter uns Laster mit Wertstoffen und solchen die es werden wollten. Die ganze Zeit begleitet einen ein unglaublich bedrückendes Gefühl — zumindest mir ging es so.
Dann an der Pilgerstätte St. Samaan angekommen wartet ein anderes Extrem: Riesige Heiligen Bilder und Bibelgeschichten sind in die Felsen der Moqattamberge gemeisselt, die Kirche selbst in den Felsen gesprengt. Das riesige Amphitheater bietet Platz für mehrere tausend Menschen.
Die Wiege der Mönche
Da das christliche Mönchtum seinen Ursprung im Koptischen hat ist es etwas besonderes die (ur-)alten Klöster im Vadi Natrun zu besuchen. Der Name Vadi Natrun (auch: Wadi an-Natrun) stammt aus dem Arabischen und bedeutet Natrontal, da aus diesem Ausläufer der Sahara natürliches Natronsalz stammt, das man schon zur Mumifizierung nutzte. Die Klöster selbst sind (mehr oder weniger) kleine Festungen, da sich die Mönche vor den Angriffen der Beduinen dort verschanzten.
Bollwerk des Glaubens
Natürlich stellte der Mönch, der uns durch eine der Anlagen führte, seine Vorfahren als die Opfer dar: Die Mönche lebten zum Großteil einsiedlerisch in Wüstenhöhlen und kamen nur an Sonn- und Feiertagen zum gemeinsamen Essen und Beten zusammen. Ihre kleine Kapelle wurde regelmäßig von den Ungläubigen überfallen. Es blieb nichts anderes übrig, als die Kirche zu befestigen. Dass es sich dabei nur um die halbe Wahrheit handelt liegt an den Brunnen, die sich immer in der Nähe der Klöster befinden. Diese Wasserquellen wurden seit Jahrhunderten von den Nomaden genutzt, die Mönche nahmen sie sich einfach. Dennoch ist es beeindruckend was sie daraus machten. Mitten in der kargen Wüste findet man nun riesige, grüne Gärten, Kapellen, Kirchen und Kathedralen. Die ältesten Gemälde in den Gotteshäusern stammen aus dem 8. Jahrhundert. In mehreren Schichten sind Heiligengeschichten übereinander gemalt. Der begleitende Mönch sprach Deutsch, Italienisch und Englisch, sogar ein wenig Französisch — ja, der hat Zeit ;)
Und wenn ich wieder Zeit habe, erzähle ich noch von den restlichen Tagen im wunderbaren Ägypten — Inschallah:
Dipl. Kommunikationsdesigner
@phneutral
DE, NRW, Wuppertal
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